Wenn der April kommt, fällt Apfelbauer Florian Tumler regelmäßig ein altes Kinderlied ein: April, April, der macht was er will. Jedes Jahr schaut der erfahrene Bauer dann zum Himmel rauf und spricht einen Wunsch aus, den er wahrscheinlich zusammen mit allen Bauern im Vinschgau gleichzeitig zum lieben Gott sendet. Möge sich die Eigenwilligkeit des Aprilwetters möglichst in Grenzen halten, denn schließlich ist die Zeit zwischen Ende März und Anfang Mai entscheidend für eine gute Ernte im Herbst. Es ist die Zeit der Apfelblüte und auch die Zeit in der viel schief gehen kann. Das Ungute daran…man kann als Bauer nicht aktiv eingreifen und kann nur hoffen, dass der Vinschgau seinem Ruf gerecht wird, klimatisch ein prädestiniertes Apfelanbaugebiet zu sein.
„Wichtig ist, dass während der Blüte die Tage nicht zu warm und die Nächte nicht zu kalt werden.“ Wenn die Tage zu warm werden, blühen die Bäume nämlich zu schnell und Wind, Bienen und andere Insekten haben dann nicht genügend Zeit, die Millionen von Blüten zu bestäuben. Apfelblüte bedeutet Zeit der Beobachtung. Florian studiert aufmerksam die verschiedenen Vegetationsstadien vor dem befreienden Ausbruch der Vollblüte, von den Knospen als „grüne Spitzen“ über das sog. „Mausohrstadium“ bis hin zum prallen „Ballonstadium“. Täglich schaut er auf den Wetterbericht und jeder überstandene Tag ist ein guter Tag. Dann ist es endlich soweit: Die Bäume vertrauen ihrem inneren Sensor und entscheiden sich für die schutzlose und unwiderrufliche Öffnung der Blüten.
„Genau das ist der Moment, der eine faszinierende Magie in sich birgt aber der gleichzeitig auch mit großer Anspannung behaftet ist. Die Blüte kann sich jetzt nicht mehr schließen und sich wieder verstecken. Sie ist nun schutzlos und hofft auf viele Pollen durch Wind und Insekten.“ Die Blüte lockt mit ihrem Nektar die Insekten an. Diese schwirren von Blüte zu Blüte und tragen dabei quasi als „Kollateral-Nutzen“ den Pollen zur Befruchtung mit sich mit. „Ohne diese fleißigen Helfer kommt es zu keiner Befruchtung und ohne Befruchtung zu keinem Vinschger Apfel.“
Florians Bruder Stefan ist Imker. Die fleißigen Helfer hat er nach anfänglichen Startschwierigkeiten nun fest im Griff.
„Sie gehen ihrem eigenen Business nach, der Nektarsammlung. Gleichzeitig vollbringen sie – wahrscheinlich ohne es zu wissen - wertvolle Dienste für die Blüten meines Bruders. Sie arbeiten zum Nulltarif und machen viele Überstunden.“, lacht Stefan. Vor allem verlangen Stefans Honigbienen kein Kilometergeld. Damit würden sie gut verdienen, denn sie können problemlos bis zu 3 km zurücklegen.
Die richtige Temperatur ist nicht nur für die Blüte selbst wichtig. Auch für die Honigbienen muss sie passen. Sie fliegen erst ab 10 Grad Celsius richtig gerne. So kann es schon mal passieren, dass bei niedrigeren Temperaturen alle Blüten offen sind aber keine Biene herumschwirrt. „Wie bestellt und nicht abgeholt. Das ist schlimm.“, beteuert Florian. Florians Apfelwiesen befinden sich auf über 700 Meter in Göflan bei Schlanders und der Vinschger Apfel ist eben ein Bergapfel. Hier sind Temperaturen Richtung Gefrierpunkt auch im April keine Seltenheit. Aber der Vinschgau ist durch seine West-Ost Ausdehnung für angenehme Temperaturen bekannt. An wolkenlosen Tagen strahlt die Sonne den ganzen Tag über, ohne dass Bergketten die fruchtbare Talsohle an beiden Enden abschatten könnten. Ein Vorteil für Florians Blüten und ein Vorteil für Stefans Bienen. „Blüten können erfrieren, aber wir Bauern sind von Natur aus optimistisch eingestellt. Das müssen wir auch.“
Die Vinschger Bauern sind so gut es geht auch vorbereitet: In sternenklaren Frühlingsnächten kann schon mal die Frostschutzberegnung gestartet werden. Die empfindlichen Apfelblüten werden dann in filigrane Eisblüten verwandelt. „Die Frostberegnung ist zwar immer ein faszinierendes Schauspiel, wir Bauern können darauf aber gerne verzichten.“ Mit viel weniger Risiko ist der optische Genuss von Millionen und Abermillionen Blüten in weiß und rosa verbunden. Sie kleiden den Vinschgau in ein duftendes Blütenmeer, das nicht nur Honigbienen in ihren Bann zieht. Florian und Stefan können ein Lied davon singen, ein Lied voller Hoffnung und Zuversicht. So sind Vinschger Bauern eben.