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Die Geschichte vom „vergessenen“ Feld

Der Neid des Envy™

Das „vergessene“ Feld voller intensiv roter Schätze Es ist Ende Oktober. Ein schöner Herbsttag veranlasst mich zu einem Spaziergang durch die Vinschger Apfelwiesen, die von so vielen Pfaden gesäumt sind. Die Ernte im Land des Golden Delcious und Gala ist seit Wochen vollzogen und auf den kleinen Wegen, die zu den einzelnen Wiesen führen, sind kaum mehr Traktoren unterwegs. Auch Radfahrer sind aufgrund der schon kühleren Temperaturen nicht mehr in den gewohnten Schaaren aktiv. Die Bäume sehen so leer aus, noch tragen sie zwar das volle grüne Blattwerk, aber bald schon werden sie sich genauso braun verfärben wie die Laubbäume der angrenzenden Waldstücke. Sie werden das Blattgrün verabschieden und ihre Blätter dann schließlich zu Boden fallen lassen. Jetzt schwächelt die Natur, um sich dann wieder zu erholen und den Kreislauf von vorne zu beginnen. Ohne Frucht sehen die Bäume irgendwie traurig aus, auch wenn sie in Wahrheit wohl erleichtert sind. Nichts lastet mehr an ihren Ästen und saugt Energie aus ihren Wurzeln. Sie können endlich entspannen, nachdem sie prächtige Früchte geliefert haben. Ein schöner Gedanke. Nach einer halben Stunde des entspannten Dahinwanderns traue ich aber meinen Augen nicht mehr. Ein Bauer hat bei der Ernte eine ganze Wiese völlig ausgelassen! Vergessen! Es hängen noch Dutzende intensiv rote Äpfel an jedem Baum. Wie kann das sein?

Was ist das für eine neue Sorte? Aber vor allem, warum hat der Bauer dieses Feld nicht geerntet? Die Wiese ist im Apfelgarten Vinschgau zwar gut versteckt, aber ich will nicht glauben, dass ein Landwirt so eine große Anlage wirklich vergessen kann. Auch weil ein Vinschger Landwirt im Schnitt nur wenige Hektar besitzt. So eine Wiese muss doch auffallen! Ich muss der Sache auf den Grund gehen. Um den „Tatort“ zu markieren, öffne ich die App auf meinem Mobiltelefon und speichere sicherheitshalber die Geokoordinaten. Gibt es eigentlich Finderlohn für ein Feld? Vorsichtig entferne ich eine der prallroten und anscheinend erntereifen Früchte vom Baum. Sonst glaubt mir im Dorf ja niemand. So einen Apfel hab‘ ich noch nie gesehen. Er ist so anders. Er fühlt sich so schwer an, so voller Substanz. Und hart wie ein noch kleiner Golden Delicious Monate vor der Ernte. Ist er doch noch nicht reif? Aber wie soll ich das herausfinden? Schnellen Schrittes mach ich mich auf den nachhause Weg. Dort soll mein Nachbar Michael mir Aufklärung schaffen. Er ist Landwirt. Er muss es wissen. Notfalls soll er mir helfen, eine Fahndung nach dem nachlässigen oder zerstreuten Bauer aufzugeben. Nur nach wenigen Minuten gibt mein schwacher Geist auf, zu groß ist die Versuchung. Ich beiße rein. Wow! Woher kommst du? Wie kannst du so saftig sein, obwohl du so knackig fest bist.

Und so süß! Ein Aroma, das leicht an Birne erinnert. Eindeutig reif die Frucht, kein Zweifel. Schmeckt zu vollkommen, um noch unreif zu sein! Somit scheint sich meine Theorie zu bewahrheiten. Die Wiese wurde vergessen. Ich muss den Besitzer warnen. Er hat einen Schatz vergessen! Plötzlich befällt mich ein juckender Zweifel und mein Tempo verlangsamt drastisch. Was wenn der Bauer grad heute die Ernte beginnen wollte? Ich habe einen seiner kostbaren Äpfel „geklaut“. Niemand wird mir glauben, womöglich wird man mich noch beschimpfen. Aber wenn das so ist, bin ich besser beraten zurückzugehen und noch einige dieser kostbaren Früchte mitzunehmen. Sie wären den Sündenfall wert. Wer weiß, wann ich sowas wieder zwischen die Zähne kriege. Verdammt was nun?
Wenn ein Apfel so gut ist, kann er nur Envy™ heißen Das Schicksal befreit mich wie gerufen aus der mentalen Zwickmühle. Ich höre einen Traktor kommen. Die Gedanken laufen blitzartig zusammen. Egal wer es sein wird, ich werde mich dem Bauer anvertrauen und ihn fragen. Er muss mir glauben, so oder so. Ich Glückspilz, es ist mein Nachbar Michael. Ihm kann ich alles melden. Aber bevor ich ein Wort sagen kann, ruft er beim Heranfahren: „Hallihallo, da wollte wohl jemand meine Envy™ stehlen!“ Mit dem Apfel in der Hand, den süßen saftigen Geschmack noch im Mund und der Hoffnung, Michael würde kurz wegschauen, damit ich nochmal schnell reinbeißen könnte erwidere ich: „Wie was stehlen“?

„Du hast einen meiner Envy™ in der Hand. Wie schmeckt er?“ fragt Michael und hält den Traktor vor mir an. Spontan will ich „fantastisch“ rufen, verdutzt wie ich bin und unter vorsichtiger Einschätzung der Lage sag ich einfach: “Nicht schlecht.“ „Nicht schlecht? Du machst wohl Witze? Er schmeckt fantastisch“. Irgendwie macht es keinen Sinn, die Wahrheit zu erzählen. Die würde ich mir ja selbst nicht glauben. Die Legende vom vergessenen Feld behalte ich wohl lieber für mich. „Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen Michael. Die Neugierde war zu groß, ich wollte wissen wie er schmeckt.“ erkläre ich offen und beiße genussvoll ein zweites Mal zu. Wow! Michael sieht mit welchem Genuss ich mein Mundwasser zergehen lasse. Statt mir böse zu sein, freut er sich für mich und fängt an zu erzählen. „Warum glaubst du denn hab‘ ich grad diese neue Sorte ganz versteckt von den üblichen Wegen angepflanzt?! Der Apfel heißt Envy™ und wie du weißt kommt das vom Englischen und steht für „Neid“. Wenn ein Apfel so gut ist, dann zieht er Neider an wie Motten das Licht, daher der Name!“ beteuert Michael lachend. Er erzählt mir, dass der Envy™ aus Neuseeland stammt und hier im Vinschgau die besten Voraussetzungen hat. Seine Eltern sind Gala und Braeburn, ebenso Apfelsorten, die sich hierzulande wohlfühlen. Michael gibt mir eine Grundeinschulung in Pomologie und das „live on the field“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Für eine solche Clubsorte stehen die Landwirte Schlange. Die angebauten Mengen werden bewusst weltweit beschränkt, damit auch die Konsumenten im Supermarkt dann Schlange stehen. Und ich bin sicher eine davon. Im Vinschgau wächst er bis zu einer Meereshöhe von 800 Meter am besten und entfaltet auf dieser Höhe seine besonders beliebten Eigenschaften in sehr ausgeprägter Form: seine leuchtend rote und leicht gestreifte Deckfarbe auf gelblichem Hintergrund. Optisch ein wahrer Hingucker, der sich nach dem ersten Biss auch im Geschmack bestätigt. „Bite and believe“, nicht nur ein Werbeslogan aber ein leicht einzuhaltendes Versprechen. Mit dieser Sorte werden Landwirte wie Michael sicher lange eine große Freude haben.
 

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